Meine Freunde und Kollegen sind der Meinung, ich habe den Aluhut aufgezogen und mir ganz tief ins Gesicht gezogen. Dabei fing alles ganz harmlos an. Vor einigen Monaten hatte ich mich entschieden mein gebraucht gekauftes iPhone 8 gegen ein deutlich günstigeres und vor allem neues Google Pixel 3a zu tauschen. Der Grund war recht banal: ich bin ein Foto-Junkie und liebe es zu fotografieren, die Pixel 3a Kamera hat das iPhone 8 in Sachen Bildqualität links liegen lassen. Meine Mutter wollte ihr iPhone 5S gegen ein neueres Modell tauschen. Na das passte ja.
Das Pixel 3a kaufte ich am selben Tag für nur 349€ in einem der lokalen Vodafone Stores (ohne Vertrag wohlgemerkt). Und alles war gut. Meine Frau und ich waren schon lange im Google Universum unterwegs. Auf den PCs (mit Windows) lief Chrome als Standard Browser, unsere Fotos luden wir automatisiert nach Google Photos hoch und die Wochenplanung bestritten wir mit dem Google Kalender. Selbstverständlich waren die Kontakte über Google synchronisiert und wenn wir uns schrieben, wurde WhatsApp verwendet. Alles war "fluffig". Meine Frau stieg einige Wochen später ebenfalls auf ein Pixel 3a um, das Kind, welches das iPad der Frau versehentlich dem Boden vorgestellt hat, bekam als Ersatz für seine Lernspiele ein Samsung Tab A. Nun war wirklich alles im Google Universum und es fühlte sich ganz gut an. Achja, ein Familien-Abo von YouTube Premium habe ich dann auch mal ausprobiert. Geil wenn man YouTube in 4k über den heimischen Fernseher flimmern lassen kann - ohne Werbung. Nice.
Zeitsprung, es ist nicht mehr Juli sondern Anfang Dezember 2019. Vor vielen Monaten hatte ich das Buch "Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus" angefangen zu lesen, aber auf Grund der extrem verschwurbelten Satzstellungen links liegen lassen. Irgendwas zwickte. Ein Freund kam auf einmal mit Threema um die Ecke. Threema, klar, hatte ich vor Jahren mal gekauft, aber es fristete sein Dasein im Playstore ohne das ich es abgerufen hätte. Sei's drum, ich habe es einfach mal wieder installiert. Na klar, neue ID, stimmt - das war ja so kompliziert. Es machte Spaß und ich begann an darüben nachzudenken, was wir so an Daten in die Cloud(s) pumpen. Ja, schöner Spruch mit dem "es gibt keine Cloud, nur die Computer anderer Leute".
Da bekam ich den Tipp für ein neues Buch, "Dann haben die halt meine Daten, na und?", ironischer Weise, weil ich das Buch sofort lesen wollte (ich lag gerade mit einer Erkältung flach), kaufte ich es als eBook für meinen Amazon Kindle. Wer das Buch gelesen hat wird die Ironie erkennen, wer nicht - sollte das Buch lesen. Ein Buch, was leichte Kost ist und Spaß macht zu lesen. Die Autorin beschreibt wie ihr das früher alles eher unbewusst statt egal war. Für meinen Fall muss ich sagen, dass ich auf Grund meines Jobs durchaus wusste was ich mit meinen/unseren Daten für einen Mist mache. Das Buch verschlang ich in 2 Tagen und alle Lampen standen auf rot. Ich hatte uns da wirklich gut in die Sch***e geritten mit den ganzen Google Diensten, die wir so nutzten. Mittlerweile hatte ich auch begonnen das Pixel auf links zu drehen und Apps und Dienste mit anderen Optionen (ich mag das Wort "Alternative" wegen einer gewissen Partei nicht, daher verwende ich lieber das Wort "Optionen") zu ersetzen. Ja, das geht, besonders bei Android kann man auch einen anderen Standard-Browser einstellen, aber vom Kern, dem Android mit GApps kommt man nicht so leicht weg. Ich habe mich über Tage in das Thema "Graphene OS" und "Lineage OS" eingelesen und dann festgestellt, dass viele wichtige Funktionen, wie das von mir zu Hause leider dringend benötigte WiFi-Calling und VoLTE damit nicht mehr funktionieren. Auch die Kamera würde ohne Googles Cloud-Dienste aka Google Photos nicht mehr diese brillianten Fotos produzieren.
Ich begann mit dem, was wohl am meisten weh tat: ich schrieb eine Seite mit meinen Gedanken und begründete meinen Weggang von WhatsApp, nicht irgendwann in der Zukunft sondern JETZT. Nach einem Tag lösche ich dann ungeduldig den Account (sofern man hier von Löschen sprechen kann, Daten aus dem Netz bekommt man eigentlich nicht weg). Bäm! Weg. Meine Eltern und Frau hatte ich schon vor Wochen Threema installiert und das klappt wunderbar. Auch einige Freunde und Kollegen zogen mit. Aus einigen damals noch wichtigen Gruppen verschwand ich. Das ist dann halt Pech, ich habe nicht gesagt das es einfach war.
Dann gab ich meiner Frau das Buch zu lesen. Hui. Das hatte Auswirkungen. Kurz gesagt: ich weiß das auch Apple nicht perfekt ist, aber aus datenschutzsicht deutlich besser als Google (wenn man die iCloud meidet, was ich eh tue). Dank Amazons Weihnachtsrückgabezeit konnten wir das Samsung Tablet zurückgeben und Frau und Kind mit einem neuen iPad austatten. Wir sind am gleichen Tag beide auf iPhones umgestiegen. Den alten iMac meiner Mutter habe ich für meine Frau wieder fit gemacht (High Sierra drauf, auf eine externe SSD am USB 2 Port, aber es läuft erstaunlicher Weise echt gut) und für mich begann das Abenteuer Hackintosh von vorne. Ich hatte beim damaligen "Underdog" meine CPU gekauft, ein AMD Ryzen 2700X, ich dachte gar nicht das ich den mit macOS ans Laufen bekomme, doch einen Abend im verschlossenen Arbeitszimmer mit diversen verbalen Entgleisungen meinerseits und lesen, lesen, lesen vor allem hier im Forum hatte ich dann am nächsten Morgen einen Hackintosh auf AMD Basis. Nur die Grafikkarte war noch ein kleines Abenteuer, aber das ist hier im Forum zu lesen. Mittlerweile haben wir unsere ThinkPads X230 auf macOS Catalina umgerüstet und meine Frau ist total happy dass sie nach den Jahren wieder macOS nutzen kann (früher hatten wir eine lange Zeit nur Macs im Einsatz).
Das Ende der Geschichte ich noch lange nicht in Sicht, ich bin gerade mittendrin. Der Aluhut steht mir ganz gut, wenn ich so in den Spiegel schaue, das Löschen von Apps und Konten kann schon fast zur Sucht werden. Meinen Google Account habe ich ebenso gelöscht wie Instagram & Facebook-Konten und diverses andere. Auf meinem kleinen Intel NUC mit Celeron CPU laufen unter Proxmox diverse VMs mit einigen Diensten, die Cloud-Dienste ersetzen. Ein Reverseproxy rundet das Ganze ab.
Eine kleine Übersicht über meine Optionen:
- Google Chrome -> Mozilla Firefox (mit datenschutzsinnvollen Einstellungen & AddOns) auf den Macs und Safari bzw. Firefox Klar auf iOS)
- Google Mail -> deutscher Mailanbieter
- Google Kalender -> Synology Calendar (läuft super mit dem Kalender in macOS und iOS)
- Google Kontakte -> Synology Contacts (auch der läuft super mit den Kontakten in macOS und iOS)
- Google Photos -> Synology Moments
- Google Suche -> DuckDuckGo, Startpage oder metager oder Ecosia, schön im Mix
- YouTube -> Sehe ich nur noch via Invidious (auch hier hoste ich auf dem NUC eine eigene Instanz)
- Bitwarden Cloud -> Bitwarden selbst gehostet
- Authy (OTP) -> Bitwarden selbst gehostet mit dem Premium-Abo (10$ im Jahr pro User)
- WhatsApp -> Threema
- PayPal -> gekündigt
- Mozilla Pocket -> Wallabag (auch selbst gehostet)
- Twitter -> Mastodon und FreshRSS (selbst gehostet) für Nachrichten und ja, auch YouTube Channel kann man damit "abonnieren"
Das ist nur ein Teil der Dinge, die ich geändert habe. Ich möchte auch nicht verschweigen, dass ich vor der Idee mit dem Hackintosh auf dem AMD mir erstmal tagelang einen mit Linux auf dem Desktop abgebrochen habe. Ich nutze Linux täglich und auf der Arbeit habe ich in der Zeit die Umstellung von Windows auf Linux genehmigt bekommen (Dienstnotebook) und mag es sehr, aber privat waren es mir dann doch zu viele Einschränkungen.
Der (sehr) langen Rede, kurzer Unsinn würde mich interessieren, was Ihr darüber denkt, ob hier vielleicht Gleichgesinnte unterwegs sind und hey - über Tipps zu anderen Diensten, die datenschutztechnisch sinnvoll sind würde ich mich freuen. Bei mir steht irgendwann noch Amazon auf der Abschussliste, aber das wird sehr, sehr schmerzhaft
Was ich aber gelernt habe: nicht alles auf einmal umstellen, sondern Stück für Stück, sonst wird man rückfällig.
Ich empfehle für den Einstieg übrigens den Blog von Mike Kuketz.
Ciao
Dennis